Teurer „Schnee“


Man könnte es für Kokain halten, es ist aber keins, sondern Lithium. Teuer ist es auch, um 50 000 US-Dollar je Tonne schwanken die Preise. Lithiumhydroxid ist unverzichtbar in Speichern für erneuerbare Energien, für wiederaufladbare Batterien in Elektro-Autos und neuerdings sogar in E-Loks. Deutschland importiert überwiegend aus Chile und den USA. Wie nützlich sind Lithium-Vorkommen in Deutschland?

Interessenten können Anton Du Plessis auf YouTube kennen lernen.
Der Londoner Geschäftsmann erläutert Investoren, warum sie ihr Geld im Erzgebirge anlegen sollten. Was Bohrkerne im dortigen Zinnwald aus vielen hundert Metern Tiefe an Glimmergestein probeweise zu Tag fördern, ist vielversprechend: In der ehemaligen Zinn-Abbau-Region schlummert Lithum. Mindestens 125 000 Tonnen Lithium-Metall, haben Fachleute der TU Freiberg schon vor Jahren geschätzt, ausreichend für Akkus von 21 Mio. Elektroautos. In Mittelklasse-Modellen stecken im Schnitt etwa 6 kg Lithium, in Smartphones weniger als 1 g.

Lithiumcarbonat

Lithium “klassisch“ aus dem Bergwerk

Du Plessis ist Chef der Zinnwald Lithium PLC samt Tochter Deutsche Lithium GmbH in Freiberg. Das börsennotierte Unternehmen hat sich die Abbaurechte bis mindestens 2047 gesichert. 12 000 t Lithiumhydroxid pro Jahr will Du Plessis an den Markt bringen. Das reicht für immerhin 300 000 E-Autos. Dazu die wertvollen Nebenprodukte: Sand für die Bauindustrie, Kaliumsulfat für Düngemittel, Calziumkarbonat zur Papierherstellung. Start ist 2026 – optimistisch geschätzt. Denn die langen deutschen Genehmigungsverfahren sind berüchtigt.

Seit dem Mittelalter ist der Erzbergbau in der Region heimisch, stillgelegt allerdings Anfang der neunziger Jahre. Die Bevölkerung steht hinter dem Projekt, hofft auf Jobs und reichlich Steuereinnahmen. Die noch existierende Bergbau-Infrastruktur will Zinnwald Lithium weitest möglich nutzen. Z.B. gut erhaltene Zugangstunnels und Gruben. Förderbetrieb und Abfuhr – alles soll umweltfreundlich elektrisch laufen.

Stollen in Zinnwald: Renaissance des Bergbaus dank Lithium?

Nicht weit entfernt in Bitterfeld-Wolfen baut die Firma AMG Lithium eine Anlage zur Veredelung des knappen Stoffes. Überschaubar sind auch die Wege zu den  Batteriefabriken von Tesla in Grünheide und von Catl im Thüringischen Arnstadt.

Lithium-Forschungsprojekte landauf, landab – es herrscht Goldgräberstimmung einerseits, Ernüchterung andererseits. Denn die Mühen der Ebene sind tückisch. Noch immer ist nicht bewiesen: Welche Quellen lassen sich mit welchen Methoden und Techniken letztlich marktreif nutzen?

Lithium unter dem Oberrhein, unten rechts der Bodensee
Satelliten-Foto: NASA

Es geht los

Der Oberrheingraben: Nirgends in Europa liegt ein grösseres potenzielles Abbaugebiet für Lithium als zwischen Offenburg und Mannheim. Allein Firmen wie VW, Stellantis, Renault, LG Energy u.a. haben zugesichert, 45 000 t pro Jahr abzunehmen, wenn, ja wenn die hochfliegenden Pläne der Firma Vulcan Energie aus Karlsruhe realisierbar sind.

Mit mehreren Projekten am Start, wollen die Karlsruher ab 2025 jährlich ca. 40 000 t Lithium für 1 Mio. E-Autos aus Geothermieanlagen gewinnen. Klimaneutral also, denn aus dem Thermalwasser wird nicht nur der begehrte weisse Stoff extrahiert. Zurück geleitet erzeugt das heisse Wasser über Turbinen Strom.
Die Vulcan-Pilotanlage in Insheim allein z.B. wirft 1800 t Lithium ab, so Forscher vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Zwischen Landau und Mannheim sympathisiert offenbar auch die Bevölkerung eher mit den Projekten, anders als in südlichen Rheinregionen. Dort ist die Geothermie wegen problematischer Bohrmethoden, Erdbebengefahr und Bauschäden wie etwa in Staufen teils extrem in Verruf geraten.

Im Gegensatz dazu will Vulcan Energie die erhofften Mengen Zug um Zug an verschiedenen Standorten mit modernster umweltfreundlicher Technik fördern. Das börsennotierte Unternehmen muss schliesslich bei Investoren Milliarden locker  machen. Sie überzeugen, dass Lithium aus dem Rheingraben auch im Industriemaßstab und rentabel zu holen ist.

Zum aktuellen Stand des Projekts wollte sich das Unternehmen allerdings nicht äussern.

Heisser Süden“

3000 m tief birgt auch die Erde unter Bruchsal den energetischen Schatz Thermalwasser, 125 Grad heiß. Und wie Konkurrent Vulcan gewinnt auch der baden-württembergische Energieriese EnBW aus seinem geothermischen Kraftwerk Lithium, 150 bis 200 mg je Liter.

EnBW Geothermiekraftwerk Bruchsal
Foto: ARTIS-Uli Deck

Das ist nicht viel verglichen mit den 300 mg in der Salzlake unter der Chilenischen Atakama-Wüste. In gigantischen, flachen Becken ausgebreitet, verdunstet dort die Lake und gibt das weisse Gold frei. Durch den Raubbau sinkt allerdings auch der Grundwasserspiegel und gefährdet die Existenz der Bewohner.

Also: Warum nicht eigene regionale Schätze nutzen, wenn das Wasser für Strom- und Wärmegewinnung ohnehin schon an der Oberfläche ist? Und die Batterieindustrie in Deutschland, in Europa jeden Krümel gebrauchen kann?
Klar ist zwar: Ohne die gewaltigen Mengen Lithium aus australischem Bergbau, aus Chile und China wird sich weltweit die E-Mobilität nicht voran treiben lassen.
Aber Umweltschäden wie in Chile, lange Wege per Schiff um den halben Erdball, last not least Lieferketten-Abhängigkeit: All das liesse sich mit deutscher, mit europäischer Lithium- Produktion einschränken.

EnBW Pilotanlange Lithium aus Geothermiekraftwerk Bruchsal
Foto: ARTIS-Uli Deck

Bis 2024 wollen sie es bei EnBW wissen:
Lässt sich Lithium aus Geothermie wirtschaftlich fördern?
Dann der nächste Schritt: Reichen die Thermalwassermengen für die industrielle Förderung? Der Lithium-Gehalt ist immer gleichbleibend.
Die aktuell geförderte Menge von 800 t je Jahr reicht für
20 000E-Autos, sagt Friederike Eggstein von EnBW.
Als Zukunfts-Partner haben sie die Electricité de Strasbourg gewonnen mit Geothermie-Anlagen in Soultz-Sous-Forets und Rittershofen. Ausserdem die GeoHardt GmbH in Schwetzingen.

Spätestens ab Ende des Jahrzehnts sollte Lithium aus Deutschland nutzbar sein, hoffen Fachleute.
Im Norddeutschen Becken untersuchen Spezialisten weitere Geothermiewässer mit Lithiumgehalten von 150 bis 600 mg je Liter.

Wertstoffe aus „Dreck“?

Daran haben sie lange getüftetlt und eigens einen neuen Reaktor entwickelt: Am Bochumer Forschungszentrum für Nachbergbau wollen Wissenschaftler um Dr. Bastian Reker ab April effizient wertvolle Rückstände aus aufbereitetem Bergbau-Grubenwasser ausfällen und untersuchen. Unterstützt von der Ruhrkohle AG (RAG)-Stiftung genau schauen, was alles drin ist: Also gelöste Stoffe wie z.B. Magnesium für den Motorenbau, seltene Erden und Lithium. Abhängigkeiten vom chinesischen Markt „wollen wir bestenfalls entgegen wirken“, so Reker. Aber: Grubenwasser fällt beim Tief- und beim Tagebergbau massenhaft an und muss sozusagen lebenslang an den Gruben, auch den still gelegten, gemanagt werden. Geringe Mengen Wertstoffe aus Schlamm und Schlick zwar, aber womöglich wirtschaftlich nutzbar?

Probe aus Ibbenbüren: Forschungszentrum Nachbergbau FZN Technische Hochschule Georg Agricola  Bochum
Foto:©THGA/Volker Wiciok

Die Masse machts

Allein im Saarland, noch eine traditionelle Bergbauregion, liessen sich Hunderte Tonnen Lithium pro Jahr jährlich aus 18 Mio. Kubikmetern Grubenwasser gewinnen, statt es gefiltert aber ungenutzt in die Umwelt zu entlassen, so Prof. Volker Presser vom Leibniz-Institut für Neue Materialien (INM) in Saarbrücken.

Er hat ein elektrochemisches Verfahren entwickelt, um dem Gruben-Abwasser gezielt Lithium zu entziehen: Elektroden mit einer speziellen Kristallstruktur nehmen Lithium auf beim elektrischen Laden und geben es beim Entladen wieder ab. Andere Mineralstoffe werden bei dieser Methode wieder ins Restwasser abgeschieden.
Im Schnitt 20 mg Lithium pro Liter enthält das Grubenabwasser an der Saar.

Grubenwässer durchfliessen verschiedene Gesteinsschichten – aber an welchen Standorten bundesweit sich welche Wertstoffe in welchen Mengen darin sammeln, ist noch unbekannt.

Grubenwassser-Garten in Reden Saarland

Inzwischen sprechen Forscherinnen und Forscher an der Saar – auch ein RAG-Projekt – schon von „Lithium-Ernte“: Zusammen mit der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shanghai tüfteln sie an neuen Verfahren, um sogar den sehr geringen Lithium-Gehalt in Meerwasser ggf. nutzbar machen zu können.

Grundlagenforschung an Saar und Ruhr also. Absolut sinnvoll wie alles, was Deutschland unabhängiger von Rohstoffimporten machen könnte,  obwohl vermutlich bis Ende des Jahrzehnts noch keine industriell verwertbaren Nutzungs-Methoden all dieser Wassermasssen erkennbar sein werden, so Michael Schmidt von der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) in Berlin.

Lithiumgewinnung in Deutschlnad hat nur Chancen mit umweltfreundlichen Methoden und mit Einverständnis der Bevölkerung.
Anders als an manchen potenziellen europäischen Förderorten in Portugal, Spanien und Serbien etwa, wo Menschen Umweltschäden befürchten und teils wütend protestieren.

Die fieberhafte Suche nach dem „teuren Schnee“ und die Ausbeutung von Natur-Ressourcen zeigt aber auch, wie wichtig es ist, so viel Lithium aus Alt-Batterien zu recyceln wie möglich.

 

 

 

 

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