KI als Jobvernichter – ja, nein, vielleicht?

Jobs und Künstliche Intelligenz (KI): Mehrere Studien geben einen Ausblick, ob sie manche Berufe überflüssig machen wird.

KI ahmt menschliche Intelligenz nach
In Japan ersetzen teils Roboter als Pflegeassistenten fehlende Hilfskräfte in der Altenbetreuung. Bei uns servieren erste kluge „Maschinenmenschen“ Essen in Restaurants. In der Automobilindustrie überwacht KI Produktionsanlagen und Maschinen, und – fast schon ein Methusalem – „tanzen“ ganze computergesteuerte „Ballette“ von Fertigungsrobotern in der Montage.

KI erkennt aus einem Wust von Daten eigenständig bestimmte Muster
Was für menschliche Moderatorinnen und Moderatoren gar nicht mehr allein zu schaffen ist: bei Youtube z.B. beleidigende oder eklige Videos aufzuspüren und zu löschen. Spam-Filter in Mail-Programmen halten Unerwünschtes vom Hals. Firmen lassen Bewerbungen mit Hilfe von KI vorsortieren. In der medizinischen Diagnostik kann KI z.B. Antibiotikaresistenz aufspüren und Dermatologen helfen, krankheitsverdächtige Veränderungen der Haut zu erkennen.

KI kann maschinell selbständig lernen anhand künstlicher „neuronaler Netze“
Als Übersetzungssoftware ist KI inzwischen so gut, dass es meist reicht, wenn Fachleute Sach-Texte nur noch gegenlesen und ggf. redigieren, etwa im Journalismus.
Auch wer selbst nicht programmieren kann, eine KI-Software macht’s möglich…

Die KI-Revolution rollt

KI wird unsere Arbeitswelt weiterhin mit Wucht durchdringen und verändern.

„Sechzig Prozent der Arbeitsplätze in den entwickelten Volkswirtschaften werden in absehbarer Zeit von künstlicher Intelligenz betroffen sein,“ so Kristallina Georgieva, Chefin des Internationalen Währugsfonds (IWF) kürzlich in einem Interview anlässlich des Weltwirtschaftsforums in Davos.

IWF-Chefin Kristallina Georgieva

„Wenn ihr Glück habt, wird die KI eure Produktivität steigern, eure Arbeit angenehmer (…) und sehr wahrscheinlich besser bezahlt machen. Wenn ihr Pech habt, ist euer Job weg,“

Klingt dramatisch, ist aber es bisher nicht

In Deutschland, nicht gerade ein Vorreiter der Digitalisierung, laufen z.B. im verarbeitenden Gewerbe, in der Kommunikationstechnik und in der Finanzbranche viele Prozesse KI-gestützt. Versicherer nutzen KI, um automatisiert Schadensfälle zu erfassen.
Beispiele, die die das Münchner Ifo-Institut und auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg aus der Praxis benennen. Sie sollen zeigen, dass KI Berufe nicht vollständig automatisiert, sondern nur „einzelne Tätigkeiten“ innerhalb der Jobs (IAB). KI kann den Mangel an Fachkräften nicht ausgleichen.
Allerdings, so das IAB, könne KI am ehesten Arbeiten von hoch qualifizierten Beschäftigten übernehmen.

Und: KI kann auch kreative Leistungen ersetzen: Gedichte verfassen, komponieren, Gemälde und (Industrie-)Design erschaffen…

„Wir wissen nicht, wo die Grenzen liegen,“ heisst es in einem Aufsatz des ifo-Institutes. Das Nutzungspotenzial sei offen. Massenhafte Freisetzung von Beschäftigten lasse sich daraus eher nicht ableiten.

Ähnlich Schlüsse ziehen auch internationale Studien, etwa von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).

„Gleichwohl schüren einige Unternehmen Befürchtungen von Entlassungen, indem sie Personalabbau ankündigen und dies mit Einführung von KI begründen,“ haben die Autorinnen und Autoren der ifo-Studie beobachtet.

Uralt-Ängste

Das weckt, vielfach medial verstärkt, Ängste wie technische Umwälzungen schon immer. Eine Binsenweisheit: Geschichtlich betrachtet, schon seit diversen Weberaufständen im 18. und 19. Jh., haben bisher sämtliche industriellen Revolutionen zwar andere, aber letztlich mehr Arbeitsplätze und Wohlstandschübe geschaffen.
Allerdings verbunden mit oft sehr schmerzlichen Anpassungsprozessen für die Beschäftigten vieler Branchen.

Ältere werden sich z.B. noch an die erste Digitalisierungswelle in der industriellen Fertigung Anfang der 1980er Jahre erinnern.
An CNC-Maschinen etwa – Arbeiter kamen plötzlich nicht mehr ohne Computerkenntnisse aus.

Und es waren und sind Menschen, die Berufstätige aus- und weiterbilden, umschulen. Ob Logopädin, Instrukteur für Fallschirmspringen bei der Bundeswehr, Schullehrer, Handwerksmeister oder Professorin – KI-Tools mögen Lehrpläne bereichern, etwas beizubringen wird eine menschliche Aufgabe bleiben. Und auch in der Kita würde niemand Erzieherinnen und Erzieher durch Roboter ersetzen.

Lehrberufe – womit wir bei Jobs wären, denen potenzielle KI-Entwicklungen wohl nichts anhaben können.

Gewinner und Verlierer?

Denn in den USA befassen sich verschiedene Studien mit der Frage: Welche Jobs sind eventuell doch gefährdet durch KI, welche nicht?
Und da kommen die Ökonomen z.B. von Goldmann Sachs und des Pew Research Centers zu ähnlichen Ergebnissen.

Letzteres gewohnt knackig und knallig bereits im November 2023 vom US-Amerikanischen Web-Magazin Business Insider aufgemacht:
Gewinner- und Verlierer-Jobs der KI – Revolution.

Verlierer seien demnach Menschen mit Schreibtisch-Tätigkeiten: Programmierer, Steuerberater, Übersetzer, PR-Manager, Finanzanalysten, Buchhalter, Sachbearbeiter für Lohnbuchhaltung, Lektoren, juristische Hilfskräfte…

Und dann folgt eine lange Liste von Jobs, die in den USA potenziell die besten Zukunftsaussichten haben, so BI:
Kinderbetreuung, Aufzugtechniker, Feuerwehrleute, Hausmeister, Gärtner, Friseure, Altenbetreuer, Pflegepersonal…

Das wirkt ein wenig wie Werbung für Mangelberufe, ist aber statistisch belegt. Ob diese US-Gewinner-/Verlierer-Liste irgendwann einmal vielleicht auch auf deutsche Verhältnisse übertragbar wäre, sei dahin gestellt. Sie könnte aber bei uns ganz ähnlich aussehen.

Job-Aussichten bei uns?

Man braucht nur einmal die ausgeklügelte „Choreografie“ zu beobachten, mit der Arbeiter Gebäude oder gigantische Brücken einrüsten, um zu verstehen:
Etliche Berufe, die Hirn und Kraft erfordern, lassen sich auch künftig mit KI Anwendungen zwar stützen, aber kaum ersetzen. Gerüstbauer, nebenbei, gehören zu den best bezahlten Männern am Bau. Konjunkturdellen hin, Boom her, keine Gesellschaft kommt ohne Hoch- und Tiefbauer aus.

Foto: Goldorfer-bau.de

Das gilt selbstverständlich auch für Handwerksberufe. Es hat sich offenbar noch nicht herumgesprochen: Bis zu ihrem 65. Lebensjahr verdienen Handwerksmeister oder Techniker mit 1,41 Mio. € annähernd so viel wie Akademiker (1,45 Mio. €). So hat es das Tübinger Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) errechnet.
Die Menschen in Blaumann oder Monturen der Kult-Marke Engelbert Strauss sind Gewinner der KI-Revolution.

Zukunftschancen mit guten Verdienstmöglichkeiten bieten auch Industriesektoren wie Chemie, Energie, High-Tech-Produktion. Ausserdem natürlich chronische Mangelberufe im Gesundheitswesen, in der Altenpflege und in der Gastronomie.

Wie bisher auch, wenn technischer Fortschritt die Produktivität steigert und angestammte Berufe überflüssig werden – Beispiel: Datenerfassung – können Alternativen in Dienstleistungs-Jobs dies teils abfangen.

Gärtner bis hinzu Landschaftsgestaltern sind gesucht – für die Kundschaft teils schwer oder nur mit langen Wartezeiten zu buchen, gute Hausmeister mit umfangreichen Service-Programmen für Private wie für Firmen ebenso.
Fensterputzer können sich vor Anfragen auch aus Privathaushalten kaum retten und suchen oft vergeblich Verstärkung.
Frauen machen sich als ambulante Podologinnen, Friseurinnen und mit Änderungsschneidereien selbständig. Privaten Kinder- oder Rundum-Altenbetreuerinnen fehlt bisher nur eines: Mitarbeiterinnen…
Samt und sonders Berufe, die kommunikative Fähigkeiten, soziale Kompetenz und Empathie zwingend erfordern.

Tipp vom Wirtschaftsprofessor: Soziale Kompetenzen trainieren

Und so erregte Christopher Pissarides, Professor an der London School of Economics und Nobelpreisträger für Wirtschaft, kürzlich einiges Aufsehen in einem Interview mit dem US-Mediendienst Bloomberg mit seiner Einschätzung:

Jobs mit diesen Anforderungen würden wohl künftig in der Mehrheit sein.
„Wir sollten nicht auf diese Arbeitsplätze herabsehen. Sie sind besser als die Jobs, die Schulabgänger früher gemacht haben.“

Prof. Christopher Pissarides

Beschäftigte in IT-Berufen, die angelockt von Spitzengehältern, daran arbeiten, KI für berufliche Anwendungen nutzbar zu machen, schaffen womöglich ihre Jobs der Zukunft selbst ab.
„Die Nachfrage nach diesen IT-Fähigkeiten birgt die Saat der Selbstzerstörung in sich,“ warnt Professor Christopher Pissarides.

Die Frage ist allerdings, ob sich mit mehr Dienstleistungsjobs in weiten Teilen der Niedriglohn- und Selbstausbeuter-Sektor noch mehr ausbreitet: die Ungleichheit zwischen den hochbezahlten High-Tech-Jobbern und Billig-Dienstleistern.

Krasse Einkommensunterschiede

In der Tat drohe sich die Einkommensungleichheit zu verschärfen, so Fachleute des Intentionalem Währungsfonds (IWF): indem Beschäftigte, deren Produktivität durch KI steige, überproportional mehr verdienen könnten.

Oder ob in Zeiten knapper Arbeitskräfte bessere Arbeitsbedingungen – flexiblere und kürzere Arbeitszeiten – Mitbestimmung und auch faire Bezahlung leichter durchsetzbar sind?

Letztlich aber prognostiziert der IWF „erhöhtes Wachstum und höhere Einkommen für die meisten Beschäftigten, wenn die Produktivitätssteigerungen durch KI deutlich ausfielen. Dann würden die zu erwartenden Arbeitsplatzverluste mehr als ausgeglichen,“ so die FAZ im Januar 2024.

 

 

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