Der Hype um strahlend funklenden, teuren Designer-Schmuck aus Labordiamanten mag wackelig sein. Neben Naturdiamanten haben sich aber synthetische Diamanten inzwischen etabliert und erobern stetig den Weltmarkt – auch für technische Anwendungen.
Die Magie des funkelnden Glanzes ist ungebrochen: Diese Zitterbrosche zählt zu den Publikumslieblingen im Schmuckmuseum Pforzheim.
Zitterbrosche?
Raffinesse der Juwelierskunst, vermutlich aus dem Russland des19.Jh.: Die Brillanten sind leicht beweglich angebracht, erklärt Isabel Schmidt-Mappes vom Schmuckmuseum. Bei jedem Atemzug der Trägerin bricht sich das Licht in den geschliffenen Prismen. Das beflügelt die Phantasie: Assoziationen zu glanzvollen Bällen im zaristischen St. Petersburg, wie sie Hollywood-Filme gern zeigen… an der Corsage einer Tänzerin etwa lässt der Schein hunderter Kerzen das Feuer der vibrierenden Brillanten flirren…
„Konflikt-Diamanten“? Nein danke!
Schnitt. Harte Wirklichkeit: Als neue Sanktion dürfen die EU-Staaten seit 1. Januar 2024 keine Diamanten mehr aus Russland einführen. Schlupflöcher über Drittstaaten sollen erst später gestopft werden. Kein Land der Erde produziert mehr Diamanten als Russland. Mit Rücksicht auf Belgien hatte die EU zunächst den Milliardengeldfluss aus Europa an die kriegsführende Nation laufen lassen. Denn Antwerpen ist seit Alters her das Welt-Handelszentrum für die Preziosen aus den Tiefen der Erde.
Wichtige Lieferanten für das begehrte Mineral sind ausser Russland Kanada, Australien, die Demokratischen Republik Kongo, Botswana, Südafrika…
Bergbau greift immer ins Ökosystem ein, und wer durchschaut schon restlos die höchst unterschiedlichen Umweltstandards der Minen z.B. in den vielen afrikanischen Förderländern? Die Sozialstandards? Kriminalität und Waffenhandel? Keinem Klunker kann man seine Herkunft ansehen.
Flüchtiger Glamour
Und so haben sich vor allem bei jüngeren, umweltbewussten Schmuck-Käuferschichten sog. Labor-Diamanten seit etwa zehn Jahren am Markt etabliert. Wenn Juweliere auf Schmuck-Marken mit Zertifikat hinweisen, die die Herkunft der Diamanten registrieren und lückenlos belegen sollen, bleibt oft Skepsis. Zudem sind die gezüchteten Glanzstücke ca. 25 bis 60 Prozent günstiger als Minenware.
Der Glamour von exklusivem Luxus mit einem Glitzerschmuck am Finger oder Hals hat sich allerdings verflüchtigt, seit synthetische Diamanten zur Massenware geworden sind.
Ihnen fehlt der Nimbus der Einzigartigkeit, des Unikats, des uralten Minerals aus 150 Kilometern und mehr Tiefe, einst durch Eruptionen in heute erloschenen sog.Vulkanschloten hochgeschleudert.
Diamanten als Wertanlage?
Zwar schwanken auch die Preise für Natur-Diamanten, die zuletzt 2023 u.a. wegen des Konkurrenzdruckes synthetischer Mineralien fielen.
Nun zeigt sich ein Aufwärtstrend. Die Russland-Sanktionen wirken, das Land fördert zudem weniger mit Kalkül, denn die Nachfrage steigt. Was knapper wird, verteuert sich. Kultivierten Diamanten als leicht verfügbarer Ware stehe dagegen weiterhin ein Preisverfall bevor, prophezeit De Beers, ein Branchenriese. Und auch Designer-Schmuck mit Lab-Diamanten sei vom Preisverfall betroffen, sagt Jörg Lindemann von der Diamant- und Edelsteinbörse in Idar-Oberstein.
Kunst-Diamanten können so schön sein wie die aus Bergbau geförderten Klunker, physikalisch und chemisch identisch, in Gewicht (Karat), Härte und Material. Was ist was? Selbst Kenner kommen per Augenschein nicht dahinter, und Gemmologen nur mit technischen Verfahren.
Im Labor „gewachsen“
Ein Wunderwerk der Technik sind sie allemal. Der schwedischer Physiker Erik Lundblad schuf 1953 den ersten synthetischen Diamanten. Vereinfacht dargestellt:
Um einen sog. „Diamantkeim“ lagert sich aus einer metallenen Lösungsflüssigkeit im Innern eines speziellen Gerätes mit dickwandigem Schutzbehälter unter sehr hohem Druck und Temperaturen von 1500 Grad Kohlenstoff um den Winzling ab, der Stoff, aus dem das edle Mineral besteht. Schicht um Schicht wächst so der Rohdiamant heran, innerhalb von Wochen. Ein kontrollierter Prozess, nachgeahmt der Natur.
Druck und Hitze (HPHT) also: Eine von mehreren Methoden Diamanten zu kultivieren. Der Haken: Das Verfahren ist enorm energieaufwendig.
Vor allem für technische Anwendungen aber verlangt der Weltmarkt stetig mehr synthetische Diamanten.
Erst regenerativ erzeugte Energien machen deshalb die Labor-Diamanten zu einem nachhaltigen Erzeugnis.
Investor Leonardo di Caprio
„Ich in stolz darauf, in die Diamond Foundry Inc. zu investieren, in den nachhaltigen Anbau von Diamanten in Amerika ohne menschliche und ökologische Opfer des Bergbaus.“
Der US-Schauspieler war 2006 im Film „Blutdiamanten“ als Diamantenschmuggler im Bürgerkrieg von Sierra Leone zu sehen. Heute steckt er sein Geld nicht nur in eine ausschließlich mit Wasserkraft aus dem Columbia River betriebene Diamanten-Manufaktur im US-Staat Washington. Ein Zweit-Werk soll im südspanischen Trujillo entstehen und nur mit Solarenergie arbeiten.
Die Diamond Foundry setzt dabei auf Schmucksteine, wie sie etwa in Deutschland die Firma Diavon verarbeitet.
Vor allem aber auf Synthetische Diamanten für die Zukunft des Halbleitermarktes. Denn je leistungsfähiger die Mikroprozessoren werden, desto mehr Hitze entwickeln sie auch. Weil Silizium als Trägermaterial dabei physikalisch an seine Grenzen gerät, könnten als gute Wärme-Ableiter Diamant-Wafer ins Spiel kommen.
Diamant-Tüftler aus Augsburg
Es waren Wissenschaftler der Universität Augsburg, die schon vor Jahren einen ersten klobigen Diamant-Wafer gezüchtet haben und auf die Idee kamen, dass das Mineral ideal in der Hochleistungselektronik einsetzbar wäre.
Diamond Foundry hat Ende letzten Jahres einen makellosen Einkristall-Diamant-Wafer von 100 mm Durchmesser geschaffen. Heisst: molekular mit durchgehend einheitlichem Kristallgitter, Voraussetzung für die hohe Wärmeleitfähigkeit.
Und nun hoffen Forschungs- und Entwicklungsteams der Firma, dass sich in ein paar Jahren Halbleiter auf Diamant-Wafern produzieren lassen.
In der Halbleitertechnik sorgen Labor-Diamanten als Wärmesenker schon heute dafür, dass elektronische Bauteile und Silizium nicht zu heiß werden.
Mit besonders harten Präszisonsbearbeitungs-Werkzeuge aus diamanthaltigen Verbundstoffen (PKD) lassen sich z.B widerständige Leiterplatten sägen und fräsen.
Die optische Industrie verarbeitet Rohlinge aus synthetischen Diamanten zu künstlichen Augenlinsen. In der Zahnmedizin sind feinste Diamantbohrköpfe unverzichtbar, in der Chirurgie Diamant-Skalpelle.
Sie arbeiten schnell und präzise, und sie sind langlebig: Werkzeuge und Maschinen mit diamantenen Bohrköpfen, mit diamantbeschichteten oder diamanthaltigen Schneiden, Sägen, und Fräs- und Polierscheiben.
In der Holzindustrie, in der Baubranche, immer wenn es „hart kommt“ mit Basalt, Steinen, Marmor… der Diamant ist noch härter.
Pasten mit feinem Diamantpulver glätten Oberflächen. Diamanthaltige Sprays lassen u.a. im Hochleistungs-Wintersport die Kufen von Bob- und Rodelschlitten, von Schlittschuhen noch rasanter gleiten…
Schätzungen zufolge liegt der Marktanteil von Labor-Diamanten weltweit bei ca. 10 %.
Das indische Marktforschungsinstitut Mordor sieht Zuwachsraten von mehr als 7,5 % bis 2029. Leider gibt es keine verlässlichen Zahlen über die globalen Umsätze mit Labordiamanten insgesamt, also für technische Zwecke und für die Schmuckbranche.
Am stärksten entwickele sich jedenfalls die Nachfrage im asiatisch-pazifischen Raum, getrieben hauptsächlich von der Bauindustrie.
Indien ist nach China zweitgrösster Player im Kunst-Diamant-Geschäft – und berühmt für seine traditionelle Juweliers-Kunst mit Prachtstücken aus der Natur.