Brot, Gemüse und Molkereiprodukte, Lebensmittel insgesamt, Schokolade und Kaffee, aber auch Verbrauchsgüter wie Toilettenpapier oder Waschmittel – trotz leicht gesunkener Inflation scheinen die Preise nach wie vor nur eine Richtung zu kennen: nach oben. Ist das gerechtfertigt – oder sind Mitnahmeeffekte bei Erzeugern und Handel im Spiel? Werden die Preise wieder sinken?
Muss gefühlt alles immer teurer werden?
Mehr als nur ein Small-Talk-Thema.
In einem Blog-Eintrag der Europäischen Zentralbank (EZB) von Ende März heisst es:
„Die Auswirkungen der Unternehmensgewinne auf den Preisdruck sind aus historischer Sicht aussergewöhnlich.“
Und schon vor einem Jahr schrieb EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel auf Twitter:
Profite haben einen entscheidenden Anteil an der heimischen Inflation.
(„Profits have recently been a key contributor to total domestic inflation.“)
Geändert hat sich offenbar nichts. Obwohl die Inflation im April leicht auf
7,2 % zurück gegangen ist, sind Lebensmittel noch immer 20 % teurer als vor einem Jahr.
„Preisexplosion im Supermarkt“
Vor allem bei den als besonders preiswert und stets kräftig beworbenen Eigenmarken der grossen Handelsketten erregte vor kurzen die Verbraucherorganisation Foodwatch Aufmerksamkeit:
mit einem Warenkorb gängiger Alltagslebensmittel von Aldi. Darin enthalten Nudeln, Reis, Öl, Tomatenmark, Milch, Käse, Tiefkühlpizza, Hackfleisch, Schokolade…
Dieser Einkauf hat 2022 noch 44,90 € gekostet. Ein Jahr später sind 59,52 € an der Kasse dafür fällig.
Knapp 15 € mehr also, ein Plus von 32,6 %.
„Und wer denkt, dass es einen Preisunterschied zwischen Eigenmarken der grossen Handelskette (…) gibt, liegt leider falsch. Alle sog. Preiseinstiegs-Eigenmarken kosten in der Regel bei den grossen Supermärkten auf den Cent das Gleiche. Erhöht ein Händler den Preis, kann man sicher sein, dass innerhalb weniger Tage die anderen nachziehen.“
Mit den sog. „Preishämmern“ der etwas anderen Art schlagen die Lebensmittel-Multis im übrigen häufig stärker zu als bei Markenartikeln.
Laut Foodwatch sind die im Schnitt 14,5% teurer als letztes Jahr, die Eigenmarken hingegen 30,9 %.
Produzenten von Markenartikeln hätten grundsätzlich eine höhere Gewinnmarge, könnten somit teurere Herstellungskosten besser abfedern als scharf kalkulierende Eigenmarken-Erzeuger, so argumentierte REWE-Chef Lionel Souque im Dezember 2022 in einem SPIEGEL-Interview.
Niemand bestreitet, dass Rohstoff-, Energie- und Transportkosten-Steigerungen die Preise mit in die Höhe getrieben haben.
Und viele Unternehmen verweisen darauf, dass vor allem die Energiepreise ihre Erträge heftig drücken.
Eine Bonanza wie bei Energiekonzernen ist also auch nicht in jeder Branche zu verzeichnen. Ausserdem steigen die Zinsen. Das verteuert Investitionen.
Aber schon Ende letzten Jahres belegte Joachim Ragnitz von der Niederlassung des ifo-Institutes in Dresden, dass einige Unternehmen unter dem Vorwand erhöhter Kosten bei den Preisen kräftiger zulangen als nötig.
Vor allem Handel, Gastgewerbe, Bauwirtschaft und Verkehr nutzten die Gunst verstärkter Konsumlust der „ausgehungerten“ Kundschaft nach den dürren Corona-Jahren.
Gestärktes Kartellrecht, bessere Preisaufsicht
Als nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine die Spritpreise in bislang unbekannte Höhen schossen, war dies Anstoss für das Bundeskabinett, ein novelliertes Kartellgesetz mit deutlich mehr Befugnissen auf den Weg zu bringen.
Es soll den Wettbewerb stärken und auch verhindern, dass Unternehmen Preise künstlich hoch halten.
Die Teuerung ist bitter für Millionen von Menschen.
Mit 4 % Minus sanken im Jahr 2022 die Reallöhne zum dritten Mal hintereinander, so stark wie nie zuvor in der Bundesrepublik.
Das zeigen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes.
In den aktuellen Tarifkämpfen macht es daher viele Beschäftigte wütend, wenn in den Medien immer wieder von einer drohenden „Lohn-Preis-Spirale“ die Rede ist.
Weiter Preissteigerungen?
Immerhin: Lieferkettenengpässe als Preistreiber schwinden nach und nach. Industrielle Vorprodukte wie Halbleiter, Chemikalien und Rohstoffe wie manche Metalle und Holz sind nicht länger stark überteuerte Mangelwaren.
Offenbar haben die Unternehmen ein Grossteil ihrer Kosten mittlerweile an die Kundschaft weiter gegeben und planen –zumindest teilweise – in den nächsten drei Monaten keine weiteren Preiserhöhungen.
Das ergab eine Unternehmens-Umfrage des Münchner ifo-Institutes vom März. Ausserdem lasse die Nachfrage „in nahezu allen Wirtschaftsbereichen“ nach. Auch dadurch werde der Inflationsdruck in nächster Zeit abnehmen.
Leider gilt das alles nicht für den Lebensmitteleinzelhandel, der weitere Preiserhöhungen plant. Und auch Gastronomie und Reiseveranstalter wollen mehrheitlich offenbar weiter die Corona-Flaute mit Preisaufschlägen wettmachen.