Nie mehr Zinsen – aber Inflation?

Statistisch rührt sich die Inflation mit unter 2% nicht vom Fleck. Beim Einkauf nehmen wir das vielfach anders wahr: Steigende Preise. Trotz drohender Rezession?

Das Das Foto zeigt einen luftigen, loftähnlichen Raum mit einladend über die Dielen verstreuten Sitzgruppen. Ein offenes Kaminfeuer verbreitet Behaglichkeit. Hotelier Christoph Brunk hat sein neues, kleines Hotel „Landhafen“ in Niebüll mit sehr viel Knowhow, Liebe und – natürlich viel Geld ausgestattet.

Der Start am 15. Oktober 2019 klappte. Dann kam Corona.

„Ostern sollte es richtig losgehen. Die Buchungen liefen gut.
Im langen Lockdown hatten wir dann nur zwei Buchungen pro Woche von Leuten, die beruflich dringend ein Hotel brauchten. Ich selbst zahle mir kein Gehalt,“


sagt der junge Hotelier.

Immerhin: Seine acht Mitarbeiter kann er halten – dank Kurzarbeitergeld und Soforthilfen des Landes Schleswig-Holstein. Staatshilfen in nie gekanntem Ausmass. Konzerne, Mittelständler, Kleinbetriebe, Freiberufler, Krankenhäuser, Theater, öffentliche Verkehrsbetriebe, Künstler… : Alle halten die Hand auf.
500 Mrd. Euro extra fliessen allein aus Bundesmitteln in die deutsche Wirtschaft, um die Härten der Rezession und massenhafter Arbeitsplatzverluste abzufedern.
Mit einem Kraftakt versuchen auch Europas Regierungen insgesamt die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zu bekämpfen. Zwischenbilanz der EU-Kommission:
Schon Mitte April hatten die EU und ihre Mitgliedsstaaten 3,4 Billionen Euro als Brandmauer gegen die schwere Rezession in Folge der Pandemie verplant. Und um die Konjunktur wieder anzuschieben, seien voraussichtlich noch einmal eine Billion Euro zu kalkulieren.

Hofft auf Inlandsurlauber – Hotelier Christoph Brunk

Weltweit stemmen sich Industrienationen gegen massive Wirtchaftseinbrüche – mit Summen, die in Ziffern ausgeschrieben man kaum noch zu lesen, geschweige denn sich vorzustellen vermag. Wie viele Milliarden letztlich abgerufen werden, als verlorene Zuschüsse oder als zurück gezahlte Kredite, weiss natürlich noch  niemand.
Wo soll das enden?

„Staatsschulden werden selten oder nie zurück bezahlt. Das ist ein Faktum,“

sagt lapidar Gunther Schnabl, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Leipzig.
So lange es willige Kreditgeber gibt, kann ein Staat seine Schulden mit immer neuen Anleihen drücken und Teilschulden tilgen. Je niedrige die Zinsen, desto besser.

„Knockdown“ durch Lockdown? Die Staatsmilliarden sollen last not least Gründern, kleinen und mittleren Unternehmern zufliessen. Banken verweigern gerade ihnen in diesen unsicheren Zeiten oft die existenziell benötigten Kredite.

Ilyas Günesebakan hingegen bekam seinen Gründer-Kredit noch rechtzeitig vor der Coronakrise und hat ihn ausserdem gegen Ausfälle abgesichert.
Am 26. Januar konnte er sein neues Fitness-Studio in Baden-Baden eröffnen. Weiträumig, im Gewerbegebiet auf dem alten Flughafengelände.
50 Tage lang lief alles gut. Am 51. Tag war schon wieder Schluss: Corona.

„Wir hatten aber erst ein Drittel der erforderlichen Abonnements zusammen, die wir brauchen, um über die Runden zu kommen.“

Die hohen Fixkosten laufen selbstverständlich weiter: Miete, dazu ein fünfstelliger Betrag an Leasing-Gebühren für die Geräte Monat für Monat und – natürlich die Bank-Kredite.

„Knockdown“ im Lockdown: Fitness-Studios

Nichts fürchten Europas Regierungen mehr als Firmen-Pleiten und damit massive Kreditausfälle bei den Banken. Einen Domino-Effekt, bei dem in den eng verflochtenen Finanzmärkten ein Geldhaus das andere mit in den Abgrund ziehen könnte: Einen neuen Crash, der diesmal von der Realwirtschaft ausginge, schlimmer noch als die Finanzkrise vor 11 Jahren.

Wankende Banken will EZB-Notenbak-Chefin Christine Lagarde mit allen Mitteln verhindern: Klamme Staaten, Geldhäuser und Unternehmen werden auch weiterhin ihre Anleihen bei der Notenbank gegen frisches Geld abliefern dürfen, Papiere mit Ramsch-Status kein Hindernis – notfalls bis zu einer Billion Euro im Jahr 2020, so die EZB-Chefin Ende April.
Schon seit der Finanzkrise steuern Notenbanken die Geldmärkte kaum noch über den Leitzins. Dauer – Niedrigzinsen sorgen für eine Geldschwemme auf Pump.

Kommt irgendwann die Inflation zurück?
Teuerung, weil die Geldflut womöglich auf ein verknapptes Warenangebot trifft?

Derzeit stehen die Zeichen erst einmal auf Rezession.
Waren, die im Lockdown liegen geblieben sind, müssen nun teils verbilligt losgeschlagen werden.
Ob auf mittlere Sicht manche Lebensmittel wie Obst und Gemüse teuer bleiben, ob Konsumgüter durch die Corona-Krise knapp werden und die Preise anziehen, ist offen.
Schon vor der Corona-Pandemie gab es die Tendenz in etlichen Branchen, sich wieder mehr, und am besten gleich mehrere Zulieferer in und nahe Europa zu suchen, um Lieferengpässe zu vermeiden. Und nachhaltiger zu produzieren. Das könnte die Preise treiben.
Andererseits ist fraglich, ob in Zeiten von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit Konsumenten eventuelle Teuerungen überhaupt akzeptieren. Auch bei Dienstleistern wie z.B. Gastronomen oder Fitness-Studios, die ja nicht voll loslegen dürfen.
Und: Der Ölpreis ist im Keller. Auch das spricht gegen Inflationstendenzen.

Alles bestens also trotz Geldschwemme?
Hartnäckig liegt die Inflationsrate seit Jahren bei unter 2 % – und ebenso hartnäckig zweifeln Konsumenten an den Zahlen des statistischen Bundesamtes, weil natürlich jeder Preisentwicklungen individuell wahrnimmt.
Wir haben es seit längerem mit einer „gespaltenen Inflation“ zu tun: niedrig nur bei Verbrauchsgütern.
Dagegen trifft massenhaft Geld auf ein begrenztes Angebot an Sachwerten wie Boden, Immobilien, Aktien, Gold… Die Folge sind anhaltend hohe, bzw. steigende Preise, 2019 z.B. ein Plus von 7,6 % für Betriebsvermögen und Immobilien, so das Flossbach von Storch Institute in Köln.

Gunther Schnabl, Wirtschaftswissenschaftler Uni Leipzig

 „Wenn man inflationäre Effekte vollkommen erfassen will, dann muss man auch die Vermögenspreise erfassen. Das aber verweigern die Statistikbehörden wie auch die Europäische Kommission. Inflation niedrig zu halten, das hat ja einen Grund (…) weil man sonst das Wachstum (durch hohe Zinsen, Anm.) schädigt und die realen Löhne reduziert. Jetzt haben wir Vermögenspreisinflation mit den gleichen Effekten: Wir haben Verteilungseffekte zu Gunsten der Reichen.“

Sagt Professor Gunther Schnabel.
In der Tat: Zum Beispiel besitzen nur etwa 50% der Deutschen Wohneigentum.
Und: Das Geld der Sparer büsst schleichend an Wert ein.
Wie stark hierzulande die alt bekannte Furcht vor Geldwert-Verlust auch in Corona-Zeiten ausgeprägt ist, lässt sich schwer abschätzen. Ein Hinweis könnte die anhaltende „Flucht in Sachwerte“ sein, Immobilien zum Beispiel.

Ob bei unseren Kunden Inflationssorgen eine Rolle spielen, kann ich nicht sagen. Wir waren zunächst etwas unsicher, wie sich der Markt anlässlich des Corona-Ausbruchs entwickeln würde, sehen jetzt aber keine Einbrüche bei der Nachfrage nach Immobilienkrediten. Vielleicht ein indirekter Hinweis darauf, dass die Leute Sorge um ihr Geld haben und es lieber sicher anlegen wollen.“

So Susanne Kersten vom Finanzdienstleister Dr. Klein in Lübeck.

„Das Geschäft boomt – vor der Corona-Krise schon, und jetzt auch. In Kundengesprächen spielt unserer Einschätzung nach die mögliche Inflation keine große Rolle. Die Ängste gehen eher in Richtung Arbeitsplatzverlust oder Corona-Ansteckungsgefahr. Auch die landläufige Meinung, dass es in Krisenzeiten empfehlenswert ist, in „Betongold“ zu investieren, spielt bei der Entscheidung für Wohneigentum sicherlich eine Rolle.“

Sagt Iris Laduch von Postbank.

Die Zinsen für Hypothekenkredite mit Laufzeiten von 20 Jahren und mehr sind nach wie vor niedrig.

Vermögensinflation: teures „Betongold“

Immobilienpreise in guten Lagen dürften trotz der Pandemie auch künftig hoch bleiben.
Für anderee Vermögensgüter schwanken die Preise: Im März stürzten z.B. die Aktienkurse kurzfristig ab, der Goldpreis sank vorübergehend.
Es gilt die schlichte Regel: Was knapp und begehrt ist, bleibt teuer.
Geld dagegen ist es nicht. Das drückt den Preis des Geldes, den Zins.

Gut für Kreditnehmer wie den Fitness-Studio-Betreiber Ilyas Günesebakan. Aber:

„Im Juli spätestens müssen wir wieder eröffnen. Sonst wird es kritisch mit den Zahlungsverpflichtungen. Und in 5-6 Jahren will ich richtig gut verdienen.“

Bei Hotelier Christoph Brunk laufen die Pfingstbuchungen an, und er hofft auf die Monate Juli und August.

„50 bis 60% Auslastung brauche ich schon, um am Jahresende mit einer schwarzen Null aus dem Desaster herauszukommen. Ich bin Unternehmer und deshalb Optimist. Sonst könnte ich kein Unternehmer sein.“

Hoch und immer höher verschuldete Privathaushalte, Unternehmen und Staaten.
Geldfluten treiben die Vermögenspreis-Inflation.
Wird die „neue Normalität“ in Corona-Zeiten die Kauflust der Bürger wieder anheizen?
Sollten Warenangebote infolge einer geschwächten „Corona-Wirtschaft“ schrumpfen, dann würden die Konsumgüter-Preise, die Verbraucherpreis-Inflation steigen.
Dass dann die Notenbanken die Zinsen erhöhen, ist unwahrscheinlich.
Zu gross ist die Sorge, notorisch klamme Länder wie Italien und Griechenland kämen bei höheren Zinsen nicht mehr billig an frisches Geld und würden womöglich in die Staatspleite rutschten.
Ein Horrorszenario für Europa, für die Eurozone, für das Weltwährungssystem.

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