Kleine Fluchten

Naherholung der besonderen Art: Manchmal hilft das kleine Abenteuer in einer Unterkunft, die ihre Gäste vorübergenhend aus dem Alltagstrott reisst.

Die Spielekonsole hat für eine Weile ihren Reiz verloren, der Reiseproviant ist aufgefuttert, und zum Singen haben die Kleinen auf der Rückbank im Auto keine Lust.
Nun also die fast unvermeidliche Frage:
„Papa, wann sind wir da?“
Entspannte Antwort: „Gleich, mein Schatz!“ Wenn das Urlaubsziel in wenigen Stunden erreichbar ist.
Der Wunsch der Kinder, endlich am Ziel anzulangen, ist doppelt verständlich, wenn sie dort eine Unterkunft erwartet, die die Phantasie beflügelt, vielleicht Abenteuer verheisst.

Baumhaus „Landei“

„Da wohnen wir!“ Ein Buchen-Wäldchen am höchsten Punkt der sanften Anhöhe, still und etwas abgelegen vom zugehörigen Bauernhof bei Betzigau im Oberallgäu. Aus der Nähe Kuhglockengeläut.

Die kleine Emily zeigt auf ein Baumhaus. Und wie ist es da drin? „Kuschelig!“ Die Kleine strahlt. Angenehm an diesem kühlen, regnerischen Tag Ende Mai, denn die Wipfelherbergen sind heizbar.
Den Gästen scheint das Wetter egal zu sein, denn sämtliche 10 Baumhäuser sind ausgebucht. Das Frühstück steht morgens in einem hübschen Deckelkorb vor der Baumhaustür.
Zum kleinen Badesee sind es nur 4 Kilometer.

Liegt Schnee, können Wintersportler direkt am Fuss ihrer luftigen Appartements auf die Langlaufski steigen – die Loipe führt am Grundstück vorbei – oder mit dem Schlitten die Rodelhänge hinabgleiten.

Ganze Tage in den Bäumen

Schlafzimmer „Landei“

38 m² Wohnfläche in diesem hölzernen „Landei“ unterzubringen – darauf muss man erst einmal kommen, Terrasse inklusive, ein Balkon zusätzlich „klebt“ oben am Ei.
Eine auch für die Fussbodenheizung energetisch günstige Architektur. Wärme steigt nach oben. Den Strom liefert komplett die Fotovoltaik auf dem Dach des schmucken alten Bauernhauses.

Weitblick über weiche Wiesenbuckel, waldige Inseln, viel Himmel. Am Horizont Berge, Richtung Osten die Alpen.
„Bei Baumhaushotel denkt man ja erst mal …hm. Aber alles hochgradig hier.“
Sagt der junge Vater, der mit seinen beiden Kindern zum Bauernhof hinuntergebummelt ist und den geräumigen Kuhstall für Mutterkühe und Kälber inspiziert hat.

Im separaten Frischluftstall sind Jungrinder untergebracht, die auch Weideausgang bekommen. Nah am biozertifizierten Feriengehöft ist ein Wiesenstück für drei Campingplätze reserviert.
Die Hühnerschar hat ihren eigenen Grasplatz samt Schlafhäuschen, und wenn die Hennen zum Eierlegen aufgelegt sind, so heisst es, kann man die Eier auch kaufen.
Hasen und Ziegen streicheln, Ponys striegeln – ist Ponyreiten erst in der Hochsaison gefragt? „Nein“, sagt Norbert Bechteler, der mit Frau und drei kleinen Söhnen Gastgeber ist, „wer reiten will kann reiten, jederzeit!“

Feriendomizil Baumhaus

Eine Spaziergängerin lugt unter ihrem Regenschirm hervor.
„Ich bin ganz wehmütig, weil wir morgen schon fahren. Wir haben hier nur vier Tage gebucht und konnten mit den kleinen Kindern sehr schön wandern. Bei uns zu Hause ist es ja auch ruhig, aber das hier ist nicht zu toppen.“

Entspannte Fusstouren auf Halbhöhenlagen

Foto: Hofgut Hopfenburg Münsingen

Stösst man in die einsamen Regionen der Schwäbischen Alb vor, dann begegnen einem womöglich als erstes vierbeige Wanderer: Schafherden, die dafür sorgen dass die landschaftsprägenden Streuobstwiesen und Wacholderheiden nicht verbuschen.Da passt es natürlich gut ins Bild, wenn Gäste auf dem Hofgut Hopfenburg oberhalb von Münsingen ihren Urlaub in nachgebauten, hölzernen Schäferwagen verbringen können. Wie das junge Pärchen aus Tübingen, das gerade seine Rucksäcke auf der möblierten Holzterrasse ablädt. Die Tür steht offen, es ist geheizt, es riecht gut, der kleine hölzerne Raums strahlt die für dieses Material typische Behaglichkeit aus. Oder liegt es an den biologischen Baustoffen?

Schäferwagen

Zufall oder nicht: Spricht man Gäste an, heisst es immer wieder, sie seien nicht zum ersten Mal hier. So auch die Tübinger.

Die Ferienanlage liegt im Biosphärengebiet Schwäbische Alb: Landwirtschaft, Tourismus, Industrie… entwickeln Modelle für Nachhaltigkeit und bemühen sich, das kulturelle Erbe der Region zu erhalten. Stolz bilanzieren die Hofgut-Eigner Jahr für Jahr im Internet, wie sie immer weniger Ressourcen verbrauchen.

Französisches Roulotte

Familien mit Kindern lieben die geräumigen, bunten Zirkuswagen, in denen früher das fahrende Volk unterwegs war. Die Wagen stehen verstreut auf einer weitläufigen Wiese mit Blick über Münsingen, ringsum Wald.
In unmittelbarer Nachbarschaft gruppieren sich Tipis im Kreis um eine Feuerstelle.
Es ist sozusagen der Logenplatz auf dem Hofgut. Von dort aus nicht zu sehen, weiter unten auf einer eigenen „Rasenterrasse“, haben Camper ihr Revier.

Wir mögen am liebsten die Jurte“, erklärt ein Familienvater. „Da haben wir viel Platz, und der Tisch in der Mitte mit den Stühlen drumherum ist toll bei schlechtem Wetter. Da ist es drinnen richtig gemütlich.“
Nicht zu kalt? „Nein.“
Die kirgisische Jurte ist nicht heizbar, lässt aber durch  eine bewegliche, flache Glaskuppel Licht, Luft und Sonne herein.

Auf der winterlich verschneiten, rauen Alb sind dann die durchweg geöffneten Zirkus- und Schäferwagen das kältefeste Logis.

Schafe, Kühe, Ziegen auf den Weiden besuchen – wandern mit den beiden Eseln, Brot backen im hofeigenen Backhäuschen… Und Höhlen erkunden – die so typisch sind für die „steinreiche Alb“, im Wortsinn wie ironisch. Der Dichter Ludwig Uhland (1787-1862) befand knapp: „Viel Steine gab’s und wenig Brot“- Armut in vorindustrellen Zeiten, ständig mussten die Kleinbauern Steine von ihre Äckern klauben. Das herbe Klima, die kargen Böden gaben wenig Erträge her.

Und heute? Lassen Feriengäste dank der üppigen Laubwälder, der sonnigen Magerwiesen mit ihrer artenreichen Wildblütenpracht vor allem im Frühsommer,  Corona einfach mal für eine Weile hinter sich.

(Wird fortgesetzt)

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