KI und der grosse Strom-Hunger

Schon eine Suchanfrage bei Chat GPT verbraucht drei- bis zehnmal soviel Strom wie eine Google-Suche, schätzen Experten. Reichen regenerative Energien aus für klimaneutrale KI-Entwicklungen?

„Du kannst auf erneuerbare Energien setzen.“
Die Botschaft des Online-Anlagenratgebers extraETF klingt verlockend: KI-ETFs und Erneuerbare Energien-ETFs ins Portefolio zu nehmen!

Tatsächlich gibt es schon heute weltweit mehr als 8000 Rechenzentren, unentbehrliche Speicher für die komplexen KI-Operationen.
Davon liegt ein Drittel in den USA, so die Internationale EnergieAgentur (IAE), ein Sechstel entfällt auf Europa: Paris, Dublin, London, Amsterdam, Frankfurt/Main, und ein Zehntel auf China.

Dabei wird es nicht bleiben. Und vor allem: die KI-Entwicklungen werden die notwendigen Strommengen für die Datenspeicher weiter in die Höhe treiben.
Noch mehr Strom frisst nur der Bitcoin-Handel.
Die KI- Branche wird dann wohl über kurz oder lang zu den grössten Energieverbrauchern der Welt aufschliessen, wie etwa Chemie- und Metallindustrie.
Schon heute benötigen rund um den Globus Rechnenzentren 1,3 Prozent des verfügbaren Stromes. Allein bis 2026 werden es voraussichtlich 3 Prozent sein, so die IAE.

Und in Deutschland? Da schätzt die Bundesregierung den Strom-Hunger hiesiger Rechenzentren bis 2037 auf knapp doppelt so hoch wie heute ein: von 20 TWh auf 39 Twh.
Bis 2045 werden die Data-Speicher dann voraussichtlich rund fünf Prozent des gesamten Stromverbrauchs beanspruchen, so die Bundesnetzagentur.

National und international: Vermasselt KI denTech-Konzernen ihre ehrgeizigen Nachhaltigkeits-Ziele?
Lässt sich der globale Energiebedarf für den wachsenden Bedarf der Datenspeicher komplett aus regenerativen Energiequellen decken? Die Antwort ist: nein.

Was Tech-Riesen wie Microsoft, Google, Amazon u.a. zum nachhaltigen Betrieb ihrer Grossrechner planen, ist auf absehbare Zeit unerreichbar und auf längere Sicht unsicher.
Google z.B. hat seinen CO2-Ausstoss allein in den letzten fünf Jahren um 50 Prozent gesteigert, Microsoft um 30 Prozent seit 2020.
Um die rasante Fortentwicklung von KI am Laufen zu halten, heisst es: Betriebssicherheit für die Rechenzentren first.
Der Run der Betreiber auf fossile wie auf erneuerbare Energiequellen ist deshalb in vollem Gange, in den USA auch auf Atomstrom.

Bild: Wikimedia erstellt von Eladkamel mit midjourney 5.2

Die Lage in Deutschland

Frankfurt am Main mit dem grössten Internet-Knotenpunkt der Welt ist traditionell der Hotspot für Datenspeicher hierzulande.
Voraussichtlich bis 2030 kann die Region weitere Rechenzentren kaum noch verkraften – im Wortsinne. Schon jetzt stösst das Stromnetz an seine Grenzen: die Rechen-Speicher zapfen dort bereits 50 Prozent der Elektro-Energie ab.
Google kooperiert in Hanau und an anderen deutschen Standorten mit ENGIE. Von diesem Lieferanten sichert sich die Firma nach eigenen Angaben 80 Prozent und mehr regenerative Energie.

In Berlin, dem zweiten wichtigen Speicherstandort Deutschlands ist klar: Schon heute summieren sich die Anschlusswünsche der zahlreichen neuen Betreiben auf 2,8 GW. Bis 2035 werden Anträge für ein vermutlich rund doppelt so hohes Volumen vorliegen: ca. 4 GW.
Nicht zu vergessen, es geht ausserdem um gigantische Mengen an Trinkwasser zum Kühlen, und da ist die Region mit Tesla und seinen Verbräuchen, vergleichbar einer Stadt mit 40 000 Einwohnern, ja bereits stark gefordert.

Amazon plant neben seinen Daten-Speichern im Rhein-Main-Gebiet weitere Standorte in Brandenburg. Ohne das dortige Stromnetz zu überfordern, wie wie Wirtschaftsminister Jörg Schönborn (SPD) beteuert.
Das Umland mit seiner Nähe zur Hauptstadt ist begehrt bei den Power-Zentrums-Firmen. Im trockenen Brandenburg gefällt das nicht allen.

Rechenzentren lassen das Trinkwasser zum Kühlen bisher meist einfach verdunsten. Nur in bescheidenem Umfang wird Abwärme bislang genutzt, etwa in der Landwirtschaft für Gewächshäuser und Fischzucht. Oder zum Heizen von Büros und Wohnungen. Das alles steckt noch in den Kinderschuhen.
In den Niederlanden, Spanien und anderen Ländern rebellieren Anwohner, vor allem Bauern, gegen die Konkurrenz der Data-Speicher um das kostbare Nass – und um erneuerbaren Strom selbst.

Grafik: Wikimedia Commons
artificial intelligence

Motto der Tech-Giganten: Hilf dir selbst!

Microsoft greift für seine Rechenzentren in Sachsen auf Strom aus Deutschlands grösstem Solarpark in Witznitz zu.
Einerseits sollen Microsoft-Rechenzentren bis 2030 komplett kohlenstoffneutral laufen.
Andererseits will sich der Tech-Gigant zudem auf einem Areal von 200 000 Quadratmetern im rheinischen Braunkohlerevier mit einem neuen Rechenzentrum in Elsdorf ansiedeln, dort also, wo die Firma sicheren Zugriff auf fossilen Brennstoff hat.
Die geplante Stromerzeugung für die Data-Operationen soll dann etwa dem Verbrauch von 125 000 Privathaushalten entsprechen.

Es ist ein Dilemma: Was nützen gesteigerte Mengen regenerativ erzeugter Energien, wenn gleichzeitig der Verbrauch rasant hochschnellt? Auch für Cloud-Computing, also Server-Dienste, und last not least die Herstellung hochkomplexer Chips für KI, deren Produktion ebenfalls nicht nur viel Strom, sondern auch riesige Wassermengen erfordert. Das führt z.B. in Taiwan mit seiner Chip-Weltmarktstellung zu Wassermangel und rationiertem Trinkwasser.

Es wird also darauf ankommen, KI-Operationen und Rechenzentren erheblich energieeffizienter zu gestalten.
KI weniger komplex zu programmieren, weniger aufwändig für die vielen anspruchsvollen Operationen zu trainieren, reicht aber nicht.
Hilfreich sind z.B. Rechenzentren in kalten Regionen, wie es sie in skandinavischen Ländern schon länger gibt. Bei Temperaturen unter zehn Grad lassen sich Strom und Wasser für die Kühlung reduzieren.
Es soll sogar möglich sein, Rechenzentren ins Orbit zu schiessen.
Sie würden dort weniger Energie verbrauchen als auf unserem Globus, so eine Studie des Forschungsinstitutes Thales Alenia Space im Auftrag der EU.

Bild erstellt von Wikimedia

Atomkraft ja bitte?

In den USA plant Google sieben neue Atommeiler.
In Deutschland kritisieren Politiker wie Friedrich Merz und Markus Söder den Atom-Ausstieg von Rot-Grün heftig.
Kommt es aber zum Schwur mit der Frage, wo denn nun nach 60 Jahren eines ungelösten Problems endlich Atommüll-Endlager entstehen sollen, grassiert von Nord bis Süd, von Ost bis West das St. Florians-Prinzip: Bei uns bitte nicht!
Atomkraft-Gegnern gilt CO2-neutrale Energieproduktion mit unterirdisch Millionen von Jahren strahlendem Abfall ausserdem nicht als nachhaltig.

Grosse Daten-Speicher-Betreiber setzen in den USA auf vorhandene grosse und zusätzlich auf kleine Kernkraftwerke, in deren Nähe sie sich idealer Weise ansiedeln könnten. Keine neue Idee, über Mini-Meiler brüteten Forscher schon in den 50er-und 60er-Jahen.
Skeptiker werweisen darauf, dass die Technik zeitgemäss weiter entwickelt werden muss, sehr teuer, und deshalb noch längst nicht marktreif ist. Ganz abgesehen von langwierigen Genehmigungsprozessen. Und Atom-Müll fällt nach wie vor an.

Eine Renaissance der Atomkraftwerke würde es in Deutschland wohl schwer haben. Deutschlands grosse Energie-Erzeuger haben sie abgeschrieben.
Zudem ist die Technologie in der Bevölkerung nach wie vor umstritten:
Europas grösstes Atom-Kraftwerk Saporischja – kriegerisch umkämpft, die GAUs in Fukushima, Tschernobyl, Three Miles Island in den USA, zahlreiche Beinnah-Unfälle in grenznahen belgischen und französichen Meilern… belasten in Teilen das kollektive Gedächtnis.
Vor dem Aus der Meiler hierulande lag der durch Kernenergie erzeugte Stromanteil nur noch bei sechs Prozent. Regenerative Erzeugung ist auf dem Vormarsch mit derzeit 62,7 Prozent am Gesamtaufkommen, und es wird stetig mehr.

Wenn der Wind nicht weht, die Sonne nicht scheint…

Sog. Dunkelflauten durch den steigenden Bedarf und – jahreszeitlich bedingt – weniger Solar- und Windstrom, könnten künftig häufiger die Preise kurzfristig explodieren lassen.
Mit weniger fossil betriebenen Kraftwerken lassen sich Flauten und Lieferengpässe durch Technik-Pannen weniger gut ausgleichen als früher.
Dann wieder gibt es Phasen mit Überschuss, wo Energie nichts kostet, wie z.B.im Mai 2024.
Stromerzeuger müssen dann Abnehmern sogar Geld zahlen, um ihre Energie los zu schlagen.
Übers Jahr gleicht sich das Auf und Ab für Einkäufer dann wieder preislich aus.

Fazit: Vorerst müssen konventionelle Gas- und Kohle-Kraftwerke Flauten verlässlich ausbalancieren.
Es mangelt an Gross-Speichern für überschüssige Sonnen- und Windenergie und an ausreichend Verteilernetzen.
Schätzt die Bundesnetzagentur künftige Verbräuche richtig ein und würden Rechenzentren hierzulande Mitte der 40er Jahre tatsächlich ca. 5 Prozent des Gesamtstromes für sich reklamieren, dann liesse sich das mit erneuerbaren Energien decken, prognostizieren Forscher des RWI Leibnitz Institutes für Wirtschaftsforschung in Essen.

Finanzberater mit ihren Tipps, in erneuerbare Energien zu investieren, liegen also offenbar nicht falsch.
In Deutschland werden auch mittlere und kleinere Datenspeicher zunehmend regenerativ Strom autonom erzeugen und nutzen.
„Die grossen Konzerne sind dabei nur die Vorreiter,“ so Markus W. Voigt CEO bei der aream Group, einer grossen Anlageberatung und Projektentwicklung für nachhaltige Energieversorgung in Düsseldorf. Sie berät institutionelle Anleger und spricht damit natürlich auch pro domo:
Angesichts wachsenden Stromverbrauchs und des Zwanges zur CO2-Reduktion gebe es dazu keine Alternative.

Zumal ab 2027 neue Rechenzentren in Deutschland zu 100 Prozent klimaneutral arbeiten müssen – steht im Energie Effizienz Gesetz (EnEfG).

 

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