Bauschutt als Strassenfundament? Ein alter Hut. Materialien aus Abrisshäusern in Neubauten? Da ist noch Luft nach oben. Unsere Städte sind wahre Rohstoffminen.
Es war einmal… ein altes Kasernengelände, gross wie 84 Fussballfelder, ca. 50 ha Fläche. Hier wächst bis 2030 Neufreimann heran, ein Stadtteil im Münchner Norden mit 5500 Mietwohnungen für 15000 Menschen.

Referat für Stadtpalanung und Bauordnung
Dazu vier Schulen, Schwimmbad, eine Musikschule, Läden, Kitas, Sportanlagen, Jugendzentrum, Senioren- und Nachbarschaftstreffs,Volkshochschule, Gemeinschaftsdachgärten… und sehr viel Grün für Fussgänger und Radler, dazu Trambahnanschluss.

Beim Abbruch der Kasernengebäude seit 2020 verfolgt die Stadt München ehrgeizige Ziele:
In den neuen Häusern und Anlagen soll etwa die Hälfte der 1,2 Mio.t an Bauschutt insgesamt gleich wieder an Ort und Stelle verbaut werden. Und immerhin 200 000 t davon sind Recycling-Beton.
Spezialunternehmen haben dafür die Beton und – und Ziegelbrocken säuberlich getrennt und in bedarfsgerechten Feinheitsgraden granuliert gehäuft.
Im mobilen Labor auf der Baustelle haben Fachleute untersucht, für welche Bauvorhaben sich welche Materialien in welchen Feinheiten und Zusammensetzungen eignen.
Das alles spart lange Transportwege per LKW zu Deponien bzw. fernab zur üblichen Verwertung im Strassen- oder Böschungsbau.
Geschätzt 93 000 LKW-Ladungen und 3,3 Mio. Fahrkilometer weniger mit entsprechendem Dieselverbrauch, mit Abgasen und Co2-Ausstoss entlasten also verstopfte Strassen.
Direkt an Ort und Stelle gegossen sind solche Recycling-Beton-Klötze. Damit können die Arbeiter Baufelder abgrenzen.

Foto: Ettengruber Dachau

Bei einem Forschungsprojekt gingen Studierende an der Hochschule München 2021 noch einen Schritt weiter: In den Materialstudien und in einem Pavillon der angehende Bauingenieurinnen und Architekten stecken sogar 100 % Recycling-Beton.
Die Festigkeit ist bewiesen: „Die Kennwerte dafür haben wir,“ sagt die betreuende Professorin Dr. Andrea Kustermann.

Im Baugewerbe sind nämlich bislang nur bis 45 % Alt-Beton-Beimischungen erlaubt.
Es dauert aber, bis neue Baustoffe regulär zugelassen werden.
Deshalb plant das Baureferat, schon einmal versuchsweise z.B. Zwischenwände mit 100% RC-Beton hochziehen zu lassen und auch bei Neubauten des Jugendzentrums in Neufreimann sowie fürs Heinrich-Heine-Gynmasium im Stadtteil Neuperlach einzusetzen – mit Einzelfallgenehmigung.

Glas, Kunststoff und Metalle aus herausgebrochenen Fenstern in Neufreimann lassen sich extern in geschlossenen, automatisierten Kreisläufen sortenrein trennen, fein zerkleinern, gereinigt neu einschmelzen und dann zu vollwertigen neuen Fenstern und Rahmen formen. Die Stadt will solche Recycling-Fenster und – Türen in Pilotgebäuden einsetzen. Holzteile dagegen sind weniger gut aufzubereiten und wandern deshalb meist in Heizkraftwerke.
Wenn man bei Abrissarbeiten zusieht, tue es einem doch oft in der Seele weh, was da alles an noch guten Stücken mit vernichtet wird, so Daniel Rank vom Münchner Kommunalreferat.
Bei städtischen Bauvorhaben wollen sie deshalb künftig genau hinsehen, was sich an noch brauchbaren Fassadenelementen, Fenstern, Türen, Heizkörpern… gleich wieder in neuen Häusern nutzen lässt.

Granulat aus Abbruchziegeln, befreit von Mörtel und Betonresten, vermischt mit Mineraldünger, dient in Neufreimann als nährstoffreiche und Feuchte bindende Pflanzengrundlage. Ziegelsubstrat bewährt sich schon länger besonders bei neu angelegten Pflanzengruben, Dachgrün und Strassenbäumen.
Zwar nicht aus Bauschutt, aber aus Ziegelbruch und Schleifstaub, wie er in Ziegeleien abfällt, haben Tüftler den sog. Kaltziegel entwickelt: Vermischt mit überwiegend mineralischen und, laut Hersteller neuen, besonders nachhaltigen Bindemitteln – die Rezeptur ist streng geheim – reicht es, den Ziegel zu in Form zu pressen und zu trocknen. Das spart Energie und CO2-Ausstoss.

Foto: Leipfinger-Baden GmbH
Der Produzent hat beantragt, den Kaltziegel für den Bau von Innenwänden zuzulassen.
Ausschliesslich Bauschutt steckt in „Shards“, Scherben zu Deutsch.
Jede Kachel ist ein Unikat, und es gibt sie in unterschiedlichen Grössen. Den Farbton erreichen die Erfinderinnen und Produzenten mit feinst ausgetüftelter Zusammensetzung und Brenndauer.
So kommen die Kacheln ganz ohne zusätzliche Pigmente aus.

Die Brennöfen sind elektrisch betrieben, also ohne fossile Energie, mit 100% Ökostrom. Das Start Up aus Kassel um Lea Schücking plant eine eigene Photovoltaikanlage, um nicht nur umweltfreundlich, sondern auch autonom fertigen zu können.
Das junge Team hat schon reichlich Preise abgräumt und ist stolz darauf, erste Pilot – Projekte an Land gezogen zu haben.

Neue Ästhetik aus Bauschutt.