Gesehen, gekauft, geliebt

Es gibt massenhaft Markenprodukte, die seit Jahren und Jahrzehnten zu unserem Alltag gehören. Hergestellt in Deutschland. Woher nochmal?

Lurchi – Comic-Held für Generationen:
Das Museum im Kleihues-Bau Kornwestheim*) zeigt ab Juli 2021 eine Schau zu millionenfach bekannten Konsumgüter-Marken aus dem Südwesten.

Daimler-Benz und Porsche Autos stammen aus Stuttgart. Wer wüsste das nicht?
Weniger bekannt aber dürfte sein, dass das gefleckte Maskottchen und Werbeprodukt der einstigen Schuhfabrik Salamander ein „Kornwestheimer“ ist.
Die Schuhproduktion dort ist längst Geschichte. „Lurchi-Schuhe“ für Kinder laufen aber immer noch. Und natürlich die Heftchen – heiss geliebt seit 1937, zeitweise in Millionenauflage. Mag in der Flut heutiger Comic-Figuren Lurchi auch nicht mehr Favorit der Kinderherzen sein, beliebt ist er noch immer, zumal es die Heftchen inzwischen auch online gibt.

Oben ohne, unten mit: Zwischendurch, im Jahr 2000, ein umstrittener „Relaunch“- Lurchi durfte nicht länger „nackt“ seine Abenteuer bestehen, sondern bekam „sittenstreng“ Shorts und T-Shirt übergestreift. Als Gegensatz dazu der Schädel, der nun echsenblank und kahl ohne das flotte Tirolerhütchen auskommen musste.
Das Hütchen immerhin, darf er inzwischen wieder tragen…
Lurchi als Hörstück, Lurchi zum Spielen: Auch dazu lädt die Museums-Schau Kinder ein.

Der Erfindergeist im Südwesten ist legendär, aber wer hätte gedacht, wie viele rund um den Globus erfolgreiche Konsumgüter dazu gehören?

 Clara und Alfred Ritter besassen seit 1912 eine Schokoladenfabrik im schwäbischen Bad Cannstadt. Es soll die zündende Idee der Chefin gewesen sein, 1932 eine Sportschokolade zu kreieren: Die gewohnten 100g, aber bruchfest und passend für jede Jackentasche mit dem treffende Produktnamen: Ritter Sport. Die Firma produziert seit 1930 in Waldenbuch bei Stuttgart, liefert heute nach eigenen Angaben in 100 Länder und setzt jährlich 489 Mio. Euro um.

Stille Champions aus Südwest: „Triumph“ Mieder- und Wäsche-Kreationen – seit über 130 Jahren aus dem ländlichen Heubach in Ostwürttemberg, behaupten sich auf dem Weltmarkt der hautnahen Hüllen bis heute.
Ein Markenname wie ein Paukenschlag:
Mit „Triumph“ landen die Korsettmachern aus der Provinz schon 1902 auf Anhieb einen Volltreffer – inspiriert vom Pariser Arc de Triomphe. Die Assoziation mit der damals führenden Lifestyle- und Modemacht Frankreich kam wohl nicht von Ungefähr.
Ab 1953 dann die Namenserweiterung in „Triumph International“. Damit ist klar, wohin die Reise geht: Die Schwaben umgarnen nun zunehmend erfolgreich Frauen rund um den Globus. Heute ist Triumph ein milliardenschweres Wäscheimperium, das über Umsätze und Gewinne allerdings eisern schweigt.

 „Weisst du noch…“ die Ausstellung im Kleihues-Bau weckt Erinnerungen, bei Eltern, bei Grosseltern, an die Jahrzehnte des Moped- und Mofa-Booms z.B.
Die berühmten Kreidler Zweiräder aus Kornwestheim standen für ein jugendliches Lebensgefühl von Freiheit und Tempo in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren. Gern auch „frisiert“, rasten die Kleinräder laut knatternd und stinkend durch die Gegend – „Halbstarke“ und Teens der Beat-Generation als Bürgerschrecken.
1904 hatte Anton Kreidler in Stuttgart sein Metallwerk gegründet.
1982 – der Nimbus verblasst, die Produktionsanlagen veraltet – ging die Firma Konkurs.

Ein Schicksal, das 2009 um ein Haar auch ein Lieblingsspielzeug für Jungs und Männer jeden Alters ereilt hätte, die Märklin Eisenbahn. Mit neuen Eigentümern und frischem Wind gelingt aber in letzter Minute die Wende.
Angefangen hat alles 1856 mit Puppenküchen für kleine Mädchen, die der Göppinger Flaschnermeister Th.F. Wilhelm Märklin baute.
Die Spielzeugwaggons und Loks nahm Märklin erst – oder schon? – ab 1891 ins Programm.
Inzwischen sind die Göppinger Marktführer in Europa.

Gründermut vor Jahrzehnten oder gar vor hundert und mehr Jahren. Erste solide oder stürmische Erfolge, Nationalsozialismus, Zwangsarbeit oder nicht, Kriegswirtschaft, Zerstörung und Wiederaufbau, Boom-Zeiten, Beinah-Pleiten und Neuanfänge…
Längst nicht alle mittelständischen Produzenten der schönen bunten Warenwelt haben die eigene Firmengeschichte lückenlos aufgearbeitet.
Schicksale von Tausenden Menschen, die in ländlichen Regionen des Südwestens oft von wenigen Arbeitgebern abhängig waren und sind.
„Helden das Südwestens“ – Infos zu den Firmen werden indessen eher knapp ausfallen. „Ich will Textlastigkeit in der Schau vermeiden,“ sagt Museumsleiterin Saskia Dams.

Kinder werden ohnehin zielstrebig auf Hingucker zusteuern: Spielwaren liebevoll inszeniert in einem „Schaufenster“ etwa.

Darunter Ravensburger: „Das Spiel beginnt“, Start-Motto des Gründers Otto Maier im Jules-Verne-Jahr 1884. Da brachte die Firma ihr erstes „Gesellschaftsspiel“ auf den Markt: „Reise um die Erde“.
Ravensburger ist ein internationaler Player im wahrsten Sinne des Wortes mit ca. 500 Mio. Jahresumsatz.

Und dann natürlich der Teddy Bär. Noch so ein weltberühmter Baden-Württemberger. Die anrührende Lebensgeschichte der Erfinderin Margarete Steiff in Giengen an der Brenz war dem Südwestrundfunk (SWR) einen Fernsehfilm wert. **)
Das Museum im Kleihues-Bau zeigt das erste Stofftier von 1880, das „Elefäntle“ als Nadelkissen.
Das weiche Rüssel-Tier entpuppte sich überraschend als Verkaufsschlager.
Ab 1902 eroberte Teddy als Star unter den Kuscheltieren die Welt:
Schon 1907 verlässt das Millionste Exemplar die Fabrik.
Es folgt ein ganzer Zoo – bis heute.
„Steiff Knopf im Ohr“, mit dem Markennamen seit 1904 sind sich die Giengener als Stoff-Spezialisten seit 140 Jahren treu geblieben und kleiden inzwischen auch Babys und Kinder ein.

Anschauen ist schön, Mitmachen noch schöner:

Bei einem Schätznachmittag für Kinder und Sammler im Museum heisst es: Was ist mein eigenes Steiff-Tier wert?

„Pustefix“ – wer lässt die schönsten Blasen schweben? Wie zaubert man Riesenblasen mit einem selbst gebastelten Stab?

Und dann: Immer schön am Ball bleiben beim Turnier mit „Tipp Kick“, dem Stuttgarter Spiele-Renner aus dem Jahr 1921…

Das Team um Museumsleiterin Saskia Dams tüftelt an Workshops, Konzerten und Überraschungen fürs Publikum jeden Alters.
Auf 400 m² Ausstellungsfläche werden sich die Macherinnen angesichts der Überfülle an berühmten Marken aus Südwest beschränken müssen, auch bei einem eigens nachgestellten Kaufladen mit Produkten wie Knorr Suppen, Caro Kaffe. und Frigeo/Ahoi-Brausepulver, seit 95 Jahren preiswertes Prickelvergnügen aus Bad Cannstadt für Kinder…
Der Platz reicht einfach nicht für mehr, für Maggi aus Singen, Vaude Sportartikel aus Tettnang, Hengstenberg Sauerkraut aus Esslingen, Hohner Musikinstrumente aus Trossingen, UHU aus Bühl…

Und auch die Kehrseite erfolgreicher Massenkonsumgüter nehmen die Museums-Macherinnen in den Blick: In Workshops zum Upcycling der Warenverpackungen vulgo: Müll, können Besucher neue Produkte basteln. Phantasie im Kleinen für ein grosses Problem.

*)„Helden des Südwestens“
MUSEUM IM KLEIHUES-BAU
Stuttgarter Strasse 93
70803 Kornwestheim
10.7.2021 – 19.7.2022

**) Margarete Steiff (Fernsehfilm D 2005)

 

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