Steigende Lebenshaltungskosten, Überforderung des Staates durch Zuwanderung, potenzielle Bedrohung der NATO durch Russland… Ängste die viele Deutsche umtreiben und verzagt in Zukunft blicken lassen.
Florence Gaub, Politikwissenschaftlerin, Zukunftsforscherin und Militärexpertin hat dem etwas entgegen zu setzen.
Für ruhige Stunden auf der Couch in der dunklen Jahreszeit empfiehlt es sich, die „Bedienungsanleitung“ von Florence Gaub zu studieren: So bezeichnet sie ihr Buch mit dem Titel „Zukunft“.
Wir empfinden Zukunft häufig als etwas, „…das weit weg ist, (…) das ganz von allein passiert – ein bisschen wie ein Asteroid, der auf die Erde zurast.“
Nein, sagt Florence Gaub, so ist es eben nicht.
„Denn Zukunft ist keine ferne Zeit, sondern etwas, das alle Menschen ständig erzeugen.“ Und damit ist die These gesetzt, für die sie ihre „Bedienungsanleitung“ verfasst hat: nämlich wie gut wir darin sein können, unsere Zukunft so weit wie möglich selbst zu gestalten.
Es geht also darum, unser Gehirn dafür in Schwung zu bringen, kreative Prozesse in Gang zu setzen. Nicht nur als Individuen, sondern auch als ganze Gesellschaft.
Denn allzu sehr verharre z.B. die Politik unseres Landes in ihren Zukunftskonzepten, Negatives zu verhindern, statt positiv vorausschauend Neues anzuschieben.
Und uns als Einzelne hindere zu häufig Befangenheit in der „kleinen Zukunft“, wie den Planungen für den Alltag an weit und frei schweifenden Gedankenflügen, um uns längerfristige Zukunftskonzepte auszumalen. Durchaus auch mit Ideen, die uns vielleicht zunächst abwegig oder gar verrückt erscheinen.
Oder wir fürchten uns sogar vor „der grösseren und weiter entfernten Zukunft“.
Wir „überlassen sie anderen, fast so als gehörte sie nicht uns oder läge sie nicht im Bereich unserer persönlichen Verantwortung.“
„Und nicht nur wir Einzelne vernachlässigen der Zukunft, wir tun es als Gesellschaft, und zwar schon seit Jahrhunderten. Wir lernen in der Schule nicht, wie man mit ihr umgeht, die grossen Philosophen haben wenig zu ihr zu sagen, und auch die Wissenschaft beschäftigt sich erst seit Kurzem mit der Zukunft als Forschungsobjekt.“
Die Autorin beschreibt im Detail unsere persönlichen und gesellschaftlichen Hemmnisse und Hinderungsgründe, die uns der Zukunft ignorant, ängstlich oder gar ablehnend begegnen lassen.
Aber ja, „die Zukunft heute ist keine besonders gute.“
Gaub konstatiert ein Zuviel an negativen Zukunftsperspektiven (Klimawandel, Ungewissheiten wie sich KI auswirken wird, Pandemien, veränderte gesellschaftliche Normen, Bedrohung demokratischer Systeme…)
Andererseits haben frühere erstrebenswerte Zukunftsaussichten ausgedient, wie z.B. der schier ungebremste Fortschrittsglaube, in billige Atomkraft etwa, die Zuversicht, dass die Demokratie sich als idealtypische Staatsform rund um den Globus durchsetzen werde, dass es jeder Generation materiell besser gehen würde als der vorherigen…
Eine Dysbalance also zwischen positiv und negativ – und das wirke demotivierend. Immer medial verstärkt, vor allem durch die stete Flut negativer Aufregerthemen in Social Media.
„Sobald wir zu viele schlechte Prognosen hören, fallen wir in eine Art Starre. Anstatt zu handeln, Entscheidungen zu treffen, uns etwas vorzustellen und die Zukunft zu beeinflussen, tun wir nichts.“
Florence Gaub verweist darauf, dass Menschen etwa in China und Saudi Arabien entschieden optimistischer sind als wir:
Warum? Weil Regierungen in diesen Ländern ihren Bürgerinnen und Bürgern positive Zukunfts-Perspektiven anbieten.
China soll sich in jeder Hinsicht „zu einem der grössten Länder der Welt“ entwickeln, Saudi Arabien verspreche blühende Städte in der Wüste, eine glücklichere und gesündere Bevölkerung…
Entscheidend und beflügelnd zugleich ist aber, dass es nur allzu menschlich ist, Einfluss auf die Zukunft haben zu wollen.
Die Autorin nennt u.a. das bekannte Beispiel Schweiz, wo die Menschen mit ihren Möglichkeiten, auf die Geschicke des Landes einzuwirken, mit sich und ihrer Demokratie zufrieden und optimistisch in die Zukunft blicken.
Nicht das „Mass an Katastrophen oder an Reichtümern, die wir (…) erwarten,“ sondern
„wie viel Einfluss wir auf diese Zukunft zu haben meinen“ sei entscheidend. „Je mehr Handlungsspielraum, desto mehr Optimismus.“
Wie das funktioniert, wie wir uns diese Handlungsspielräume zunächst einmal für uns selbst verschaffen, davon handelt diese „Bedienungsanleitung“:
Dafür, wie wir unsere Zukunft selbst gestalten können.
Und es selbstverständlich nicht nur Regierungen überlassen, „eine Gesellschaft aus ihrer No-Future-Haltung herauszuholen, sondern da müssen die Gesellschaften schon selbst mithelfen: Nichtregierungsorganisationen, Schulen, Universitäten, Künstler, Schriftsteller, Bürger.“
Kein platter Ratgeber, sondern eine fundierte Analyse z.B. unserer physischen und psychischen Möglichkeiten und Grenzen: Die Autorin verknüpft dabei essenzielle Erkenntnisse zu ihrem Thema aus Wissensgebieten wie Philosophie, Geschichte, Zukunfts- und Hirnforschung…
Ein komplexes Lesevergnügen auch wegen des lockeren Schreibstils, pointiert, anschaulich und von vorne bis hinten verständlich. Ein ermutigendes Buch mit hohem Erkenntniswert:
„Der Mensch ist das Wesen, das die Fähigkeit hat, sich die Zukunft so detailliert vorzustellen, dass er sie erschaffen kann.“
Florence Gaub
Zukunft
Eine Bedienungsanleitung
231 S.
München 2025
Hardcover € 23,-
Taschenbuch € 14,-
E-Book € 11,99
Die Autorin
Die Deutsch-Französin Dr.Florence Gaub ist Politikwissenschaftlerin, Militärstrategin und Zukunftsforscherin. Sie promovierte über ein militärwissenschaftliches Thema und leitet als Direktorin den Forschungsbereich am NATO Defence College in Rom. Sie berät Regierungen und internationale Organisationen anhand von Zukunftsszenarien und Trendanalysen.
